Freitag Morgen, Oberstdorf, 10 Uhr, Regen. Noch bevor es auf die knapp einwöchige Wanderung über den E5 nach Meran geht, gilt es, Entscheidungen zu treffen. Mein Rucksack ist zu schwer.
Das traditionelle Rucksackwiegen steht am Anfang einer solchen Wanderung und mein Rucksack bringt 9 Kilogramm auf die Waage. Da muss was raus, sagt Philipp, einer unserer Wanderführer. Ich bin auf meinen Vorbereitungen für den E5 mit einem 11 Kilo-Rucksack durch die Eifel gewandert, aber diesen Einwand spare ich mir. Ein paar Dinge finde ich, auf die ich wohl verzichten kann. Aber dann sind da die Regensachen. Heute und morgen soll es noch regnen, danach ist Sonne angesagt. Also zwei Tage lang nass werden und weniger Gewicht? Oder Regensachen mitnehmen und vier Tage unnütz durch die Berge schleppen? Nach kurzer Überlegung bleiben die Regensachen drin und mit 8,5 Kilogramm auf dem Rücken soll es dann über die Alpen gehen.
Mit zwei Kleinbussen geht es nach Spielmannsau. Von dort sind es etwas mehr als sechs Kilometer zur Kemptner Hütte. Eine kurze Tour zum Eingewöhnen.
Wir – das sind 15 Wanderer und zwei Bergführer. Die ersten Meter sind den üblichen Kennenlern-Gespräche gewidmet: woher kommst du, warum E5, ist das deine erste Alpenüberquerung … – und so weiter. Und so zeigt sich, dass wir eine bunt gemischte Truppe sind, die sich auf einen gemeinsamen Weg macht.
Vom offenen Tal geht es in den Wald. Es regnet. Wasser tropft von den Bäumen herunter und kommt uns auf dem Weg entgegen. Der Weg biegt nach links ab und wir gehen den Sperrbach entlang. Zwischen dem Mädlekopf (1909 m) und dem Krummenstein (1890 m) geht es den Weg hinauf. Aber die Berge sehen wir heute nicht. Sie sind in den tiefhängenden Wolken versteckt.
Dann verstummen die Gespräche, ein Schreckmoment. Einige Meter unterhalb des Weges liegt eine Wanderin einer anderen Gruppe. Sie ist abgerutscht. Die Bergführerin ist bei ihr; sie warten auf den Rettungshubschrauber. Es zeigt sich: Auch die vermeintlich einfachen Passagen des Weges brauchen die volle Aufmerksamkeit. Später haben wir auch eine ähnliche Schrecksekunde: eine Mitwandererin rutscht ab in einen kleinen Bach. Aber glücklicherweise passiert ihr außer nassen Schuhe und einer nassen Hose nichts
Einige Meter weiter, an der Wallfahrtskapelle Maria am Knie machen wie eine kurze Pause und beobachten den anfliegenden Rettungshubschrauber. Aber unsere Führer drängen zur Eile; sie wollen nicht dass wir im Regen auskühlen.
Durch den Sperrbachtobel geht es weiter. Links und rechts die steilen Berghänge; unten Schneereste aus dem Winter. Dazwischen ein schmaler Weg.
Nach etwa einem Kilometer verlassen wir den Sperrbachtobel. Durch Bergwiesen geht es weiter. Dank der tiefhängenden Wolken ist fast nichts zu sehen. Aber dann taucht wie aus dem Nichts die Kemptner Hütte, unser Tagesziel, auf.
Von unseren Bergführern gibt es eine kurze Einführung in die Hüttenregeln, dann gehen wir in die Hütte. Die Schuhe kommen in den Schuhraum, die nassen Sachen kommen in den Trockenraum. Aber der ist schon voll.
Die Kemptner Hütte ist die erste Hütte nach Oberstdorf und Ausgangspunkt für viele Touren, nicht nur für den E5. Und so ist es entsprechend voll auf der Hütte. Als Gruppe haben wir ein 5-Bett-Zimmer und ein 10-Bett-Zimmer. Eine Nacht in einem Zimmer mit neun Menschen, die man vor einem Tag noch nicht mal kannte. Die spannende Frage ist: wer schnarcht?
Den Nachmittag verbringen wir die Zeit vor dem Abendessen mit Spielen und Kaffee trinken. Kurz vor dem Hüttenruhe reist die Wolkendecke auf und wir stürzen nach draussen, um das Bergpanorama zu bestaunen.
Um 22 Uhr ist Hüttenruhe. Wir legen uns nach dem anstrengenden ersten Wandertag schlafen. Morgen früh wollen wir um 7:30 Uhr zur zweiten Etappe starten.
Strecke: 6,2 km, 860 Höhenmeter rauf
Amazon-Partner-Link: